Der Wald stirbt
Themenwanderung des VWU zu den Belastungen im Pfälzerwald
Themenwanderung am 29.08.2021 vom Naturfreundehaus Rahnenhof in Richtung A6 und zurück
Bei dieser Themenwanderung nahmen erfreulicher Weise viele jungen Menschen teil. Aber auch ältere Teilnehmer:innen waren an diesem Thema interessiert.
Kaum ein Ort unterliegt derart unterschiedlichen Interessen als der Wald. Historisch gesehen wurde der Wald lange Zeit stark übernutzt, teilweise regelrecht geplündert. Mit dem wachsenden Bewusstsein für die Umwelt werden die vielfältigen Funktionen und Leistungen des Waldes immer wichtiger. Wahrscheinlich war der Wald in seiner Gesamtheit noch nie so wichtig wie heute. Gleichzeitig unterliegt der Wald Belastungen die seine Funktionen beeinträchtigen.
Ziel der Themenwanderung war, die verschiedenen Belastungen durch Verkehr und Klimawandel wahrzunehmen, bzw. konkrete Gefahren für den Wald zu erkennen.
Um den aktuelle Zustand des Waldes einordnen zu können, ist ein Blick auf seine Entwicklung hilfreich. Gerade bei der aktuellen Diskussion um die Bedeutung des Waldes als Kohlenstoffspeicher wird übersehen, von welcher Referenz ausgegangen werden soll. Der Wald um 1960 war stark angegriffen. Die Spuren dieses Raubbaues sind teilweise bis heute noch sichtbar. Ausgehend von dieser Zeit kann der Wald durch Zuwachs noch eine signifikante Menge Kohlenstoff aufnehmen. Derzeit beträgt die Senkwirkung des Waldes etwa 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. (Waldbericht der Bundesregierung 2021)
Zum Verständnis ist ein noch weiterer Blick in die Vergangenheit erforderlich.
Vor etwa 10.000 Jahre war die Eiszeit zu Ende. Die heutige Fläche von Deutschland war zu etwa 90 % mit Wald bewachsen, aktuell sind es noch 32 %. Vor etwa 7.000 Jahren kam es zu einer Abkühlung. In der Folge veränderte sich auch die Waldgemeinschaft. War vorher die Eiche die dominante Baumart, setzte sich zunehmend die Buche durch.
Die Kohlenstoffbindung in Wäldern auf der heutigen Fläche von Deutschland war zu dieser Zeit deutlich höher als heute. Diesen Wert können wir nicht mehr erreichen.
Bis heute tragen die Verluste an Biomasse zu dem von Menschen verursachten Klimawandel bei. Allerdings haben die verbleibenden Wälder und das Meer einen Teil dieser CO2-Emissionen wieder aufgenommen.
Mit Beginn der Industrialisierung wurden große Mengen Abgase durch die Schornsteine geblasen. Ab 1980 kam es durch den sauren Regen zum Waldsterben. Mit der Rauchgasentschwefelung und anderen Maßnahmen wurden die dafür verantwortlichen Schwefeldioxid-Emissionen deutlich vermindert.
Mit der Umstellung auf nachhaltige Forstwirtschaft- sowie dem Belassen von Rest- und Totholz auf den Flächen, wurde der Zustand des Waldes weiter verbessert.
Ab 1984 werden jährlich die Schadstufen an Bäumen aufgenommen. Im Jahr 1984 betrug der Anteil an Bäumen ohne Schäden, über alle Baumarten 44 %. In 2020 betrug dieser Wert nur noch 21 %. (Waldbericht der Bundesregierung 2021)
Der Kehrwert sind Bäume mit den Schadstufen eins bis drei und liegt in Deutschland demnach bei 79 %. In Rheinland-Pfalz beträgt dieser Wert, inklusive der Schadstufe vier, 84 %. Der Anteil von schwer geschädigten Bäumen in RLP liegt bei 45 %. Der Waldschadensbericht des Landes berichtet von 11 Millionen abgestorbener Bäume in den Jahren 2018 und 2019.
Nach wie vor ist der Wald einer Vielzahl von Emissionen ausgesetzt. Die Zerschneidung durch Straßen und damit Belastungen durch Verkehr und Freizeitaktivitäten sind latent. Zunehmend werden die Auswirkungen des Klimawandels spürbar.
Im Gegensatz dazu wird der Wald oft als unberührte Naturlandschaft dargestellt. Je nachdem welche Interessen oder Präferenzen vorliegen, ergeben sich unterschiedliche Sichtweisen auf den Wald.Wie sich die Situation tatsächlich darstellt kann in Erfahrung gebracht werden, wenn der Wald vor Ort betrachtet wird.
Dafür wurde die Themenwanderung veranstaltet. Welche Schäden und Belastungen sind zu sehen bzw. können wahrgenommen werden?
Zunächst wurde ein Fichtenbestand aufgesucht. Bei diesem Bestand waren im vorderen Bereich alle Fichten gefällt. Die im hinteren Bereich stehenden Fichten waren fast vollständig abgestorben. Im weiteren Verlauf der Wanderung wurden immer wieder Fichtenbestände gesehen, die entweder stark geschädigt- oder fast vollständig abgestorben waren.
Der Aufbau des Bodens wurde in einem Hohlweg ersichtlich. An einer Flanke war das Bodenprofil senkrecht wie ein Vertikalschnitt ausgebildet. Auf einer dünnen Schicht mit Streuauflage und Humus, folgte direkt darunter, eine Mischung aus Sediment mit Grundgestein. Eine Einlagerung von Humus war nicht erkennbar. Bodentechnisch war der A-Horizont sehr dünn und der B-Horizont praktisch nicht vorhanden. Zur Kohlenstoffbindung im Boden gibt es verschiedene Studien. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Böden sehr unterschiedlich aufgebaut sind. Von Mooren, über tiefgründige Böden, bis hin zu oben gezeigten Boden.
Der Zustand des Bodens ist für die Entwicklung des Waldes von besonderer Bedeutung. Bodenanalysen und -Proben bis hin zu wissenschaftlichen Untersuchungen tragen zu einem fundierten Stand des Wissens bei.
https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/news/2016/boeden-als-co2-speicher-ueberschaetzt/
Aktuell werden in verschiedene Artikeln die Bedeutung von Mykorrhizapilzen hervorgehoben.
Der Beginn von Symbiosen zwischen Landpflanzen und Pilzen wird auf das Devon, vor über 400 Millionen Jahren datiert. Die grundlegenden Erkenntnisse wurden u.a. von Albert Bernhard Frank um 1885
beschrieben. Der auch das Wort „Mykorrhiza“, abgeleitet aus dem altgriechischen für Pilze und Wurzel, eingeführt hat.
Sicher ist diese Symbiose für die Entwicklung eines Baumes von besonderer Bedeutung. Auch können durch forstwirtschaftliche Maßnahmen die Bildung und Erhalt dieser Beziehung unterstützt werden.
Dadurch wird aber keine zusätzliche Kohlenstoffbindung im Boden erreicht. Zwischen Ein- und Austrag besteht ein Fließgleichgewicht, dass die Bindung von Kohlenstoff im Boden begrenzt.
Wahrscheinlich werden durch den Klimawandel gegenläufige Effekte getriggert. Nur durch die Begrenzung des Temperaturanstieges auf deutlich unter 2 Grad, bleiben Wälder und Böden als sichere
Kohlenstoffspeicher erhalten.
Zunehmend wird der Boden von zwei Seiten belastet: zum einen durch steigende Temperaturen, die den Zersetzungsprozess anregen, – im Pfälzerwald ist die Durchschnittstemperatur in den letzten 100
Jahren schon um 1,8 Grad gestiegen - und zum anderen, durch zunehmende Starkregenereignisse die zum Abtrag und Ausspülen der oberen Bodenschicht führt.
https://scienceblog.at/hydrologie-%C3%BCber-die-mathematik-des-wassers-im-boden#.YSOL9t9CSM
An verschiedenen Stellen wurden kleinere Kahlflächen an Böschungen vorgefunden. In Verbindung mit zunehmenden Starkregenereignissen können diese Flächen weiter erodieren und den Abfluss von
Niederschlägen beschleunigen.
Als Belastungsfaktoren wurden auch viele Rückgassen und zunehmend auch sehr breite neu angelegte Forstwege für einen großen Maschineneinsatz im Nutzwald vorgefunden. Entlang der Autobahn wurden auch
Flächenbeanspruchungen für Funkmasten ausgemacht.
Im Verlauf der Wanderung wurden verschiedene Baumarten mit erkennbaren Dürreschäden vorgefunden. Insbesondere bei freistehenden Bäumen sind die verschiedenen Schadstufen gut zu sehen. Bei der Stieleiche waren sehr viele Exemplare mit der Schadstufe drei zu sehen.
Bei der Lerche war ein hoher Anteil mit den Schadstufen zwei und drei zu sehen. Bei der Buche waren weniger Bäume sichtbar angegriffen. Bei der Kiefer waren kaum Schäden erkennbar. Allerdings ist die
Schadstufe eins für Laien kaum erkennbar. Auch andere Baumarten wie die Birke waren stark geschädigt oder sogar abgestorben.
https://fawf.wald-rlp.de/fileadmin/website/fawfseiten/fawf/FUM/UM/bildbeispiele_von_baeume.html
Dagegen waren bei der Douglasie keine Schäden erkennbar. Offensichtlich ist diese Baumart besser an den Klimawandel angepasst.
Eine große Belastung für den Wald ist der Verkehr. Ein Streckenabschnitt führte entlang der A6. Neben Abgasen stellt der ständig hohe Lärmpegel eine deutlich wahrnehmbare Belastung dar.
Vor allem der Flächenbedarf und die Zerschneidung der Landschaft ist ein grundlegendes Problem für die Natur. Neben der A6 durchziehen noch viele weitere Autobahnen und Bundesstraßen den Pfälzerwald. Der Flächenbedarf für die Erweiterung der B10 wurden von Teilnehmer:innen der Wanderung angesprochen.
Ein Wegstück führte über eine ehemalige Straße bei der noch der Asphaltbelag vorhanden war und jetzt als Waldweg genutzt wird. Hier wurde die Frage gestellt, ob es ökologisch sinnvoll wäre diese
Straße in einen Waldweg zurück zu bauen, um damit mehr Fläche zur Versickerung von Niederschlägen zu haben.
Auch wurde die Frage gestellt, ob der zunehmende Flächenverbrauch gestoppt oder sogar umgekehrt werden kann. Aus ökologischer Sicht wäre ein Flächenmanagement sicher hilfreich.
Leider konnten nicht alle Fragen beantwortet werden. Im Nachgang wird versucht von der Politik Antworten auf diese Fragen zu bekommen.
Eine weitere Belastung war an einem Streckenabschnitt zu sehen der mit Schotter aus Recyclingbauschutt aufgefüllt wurde. Offensichtlich war dieser Bauschutt nicht sauber von Reststoffen getrennt. Die Auflage war mit Folienresten und Styropor vermischt. Durch Sonneneinstrahlung und anderen Einflüssen werden Plastikreste in mikroskopisch kleine Teile zerlegt, die in den Boden bis in das Grundwasser gelangen können. Größere Plastikteile können über Regen in Bäche-, bis in das Meer gelangen. Hier ist die Politik gefordert Einträge von Plastikmüll in die Natur durch Informationen und anderen Maßnahmen zu vermeiden.
Der Plastikabfall auf besagtem Weg wurde von Teilnehmer:innen der Themenwanderung aufgesammelt.
Abschließend wurde zu dem Thema Schadstufen gefragt, was getan werden kann, damit der Wald sich wieder erholt und die Schäden nicht weiter zunehmen.
Leider konnte auch darauf keine Antwort gegeben werden.
Die Belastungen und Schäden durch den Klimawandel und Verkehr waren bei dieser Themenwanderung deutlich zu sehen. Gerade junge Menschen brauchen eine Perspektive und die Zuversicht auf eine intakte
Umwelt. Hier ist die Politik gefordert Antworten zu geben und Lösungen aufzuzeigen.
Immer wieder wurde auch die Frage erörtert, wieso auf größeren Kalamitätsflächen und stark vorbelasteten Flächen an den Autobahnen nicht auch Windräder errichtet werden können. Deren Erträge ließen
sich gut für die Wiederaufforstung mit klimastabileren Baumarten verwenden.
Statt: „geht nicht, ist zu teuer, in den nächsten Jahren“, muss die Politik einen konkreten Plan vorlegen wie der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich gesteigert werden kann.
Ein weiteres Verschieben in die Zukunft darf es nicht mehr geben.
Guido Dahm, VWU, Verband für Wirtschaft und Umwelt Rheinland-Pfalz e.V.
Kurt Werner, Bürgerinitiative Energiewende für Rheinland-Pfalz
Mailkontakt: info@vwu-rlp.de
Webseite http://www.vwu-rlp.de
Bericht downloaden und ausdrucken
Die Klimakatastrophe ist im Wald angekommen. Der Wald stirbt, auch der Pfälzerwald.
Am Sonntag, den 29. August 2021 wurde vom Verband für Wirtschaft und Umwelt Rheinland-Pfalz e.V. eine Wanderung zu dem Thema Belastungen und Klimawandel im Wald veranstaltet. Ort der Veranstaltung war der Pfälzerwald in der Nähe von Carlsberg-Hertlingshausen in Rheinland-Pfalz.
Im Verlauf dieser Themenwanderung sind viele Fragen aufgetreten, die nicht alle beantwortet werden konnten. Gerade für die jungen Teilnehmer:innen der Wanderung ist der Schutz der Natur und weitere Verlauf der Energiewende von besonderer Bedeutung. Erlauben Sie uns die wichtigsten Fragen aus dieser Veranstaltung nachfolgend an Sie zu richten.
Ab 1984 werden an Bäumen jährlich die Schadstufen erfasst. Bei Beginn dieser Erfassung im Jahr 1984, waren über alle Baumarten 44 % ohne Schaden. Im Jahr 2021 waren nur noch 21 % aller Bäume ohne Schaden. In Rheinland-Pfalz sind 84 % aller Bäume geschädigt. Der Anteil von schwer geschädigten Bäumen in RLP liegt bei 45 %. Der Waldschadensbericht des Landes berichtet von 11 Millionen abgestorbener Bäume in den Jahren 2018 und 2019.
Dazu wurde von den Teilnehmer:innen die Frage gestellt:
Der Schutz des Klimas ist von besonderer Bedeutung. Von daher erlauben sie uns noch diese Fragen an sie zu richten:
Wie Sie sicher wissen ist der Ausbau der Windkraft ab 2018 in Deutschland erheblich eingebrochen.
Wir würden uns über eine Antwort zu den aufgeworfenen Fragen freuen und sie nach Erhalt gerne an die Teilnehmer:innen der Themenwanderung weiterleiten. Vielen Dank.